Rezension der
Bruder Cadfael
Collector’s Box


Vorgeschichte

1994 begann ein kommerzieller britischer Fernsehsender damit, vier der insgesamt zwanzig mittelalterlichen Kriminalromane um den Benediktinermönch "Bruder Cadfael", geschrieben von der Autorin Ellis Peters, zu verfilmen. Bis 1997 wurden insgesamt vier Staffeln mit dreizehn Romanverfilmungen abgedreht.
Die Dreharbeiten fanden in Ungarn, in der Nähe von Budapest statt. Die Titelrolle übernahm der auch aus Shakespeareverfilmungen bekannte englische Schauspieler Sir Derek Jacobi. Die Länge der einzelnen Episoden beträgt ca. 75 Minuten.
 
In Deutschland wurde die erste Staffel zwischen Weihnachten und Neujahr 1995/96 vom ZDF ausgestrahlt, die zweite und dritte Staffel liefen von Juli bis August 1997. Die vierte und bisher letzte Staffel wurde nie synchronisiert und/oder in Deutschland gesendet.
Seitdem die DVD Einzug in deutsche Wohnstuben gehalten hat warteten viele deutschsprachige Cadfael Fans auf das Erscheinen der Staffeln - nun ist es soweit! Seit November 2008 sind alle dreizehn Verfilmungen in einer sechs DVDs umfassenden Collector’s Box im Handel erhältlich.
 
Die DVD Box
Die Aufmachung der Box wird von Brauntönen dominiert, was sehr schön zum Thema mittelalterlicher Kriminalroman passt. Die Vorderseite der Box wird beherrscht von einem perfekt ausgewählten Bild Sir Derek Jacobis als Bruder Cadfael. Am Klappentext auf der Rückseite hat selbst der eingefleischte Cadfael Fan kaum etwas auszusetzen. Texter und Designer haben hier eine sehr gute Arbeit geleistet.
Die sechs DVDs sind - wie bei einem mittelalterlichen Triptychon - auf drei Doppel-DVD-Halter verteilt. Durch einen gemeinsamen Rücken werden sie zusammengehalten. Dabei sind die Doppel-DVD-Halter jeweils mit einem Bild aus den Staffeln hinterlegt. Hätte man das linke und mittlere Hintergrundbild getauscht, so dass das Bild von Bruder Cadfael mit Hugh Beringar in die Mitte kommt, wäre der Eindruck des Triptychons perfekt gewesen.
Leider erschweren die verwendeten Brauntöne im Zusammenspiel mit den kleinen Schriftgrößen die Lesbarkeit der Inhaltsangaben. Cadfael Fans wird das kaum stören, da alleine bei der Nennung der Titel der passende Film im Kopf abläuft. Neulinge brauchen gute Augen oder sollten sich einfach den Filmen hingeben.
Die Gestaltung der Box bereitet auf jeden Fall Vorfreude und stimmt den Zuschauer auf den Inhalt ein. Auch das Steuerungsmenü der DVDs ist passend gestaltet.
 
Die Konzeption
Die Reihenfolge der Romanverfilmungen wirft unweigerlich Probleme auf. Der Herausgeber der deutschen Cadfael DVD-Box "MORE" hat sich dafür entschieden, die einzelnen Romane in der Reihenfolge der Staffeln und der deutschen Erstausstrahlungen zu platzieren - eine durchaus verständliche Entscheidung!
Dadurch geht jedoch die chronologische Reihenfolge der Originalromane verloren. Hier wäre durch ein Durcheinanderwürfeln der Verfilmungen eine Richtigstellung der chronologischen Reihenfolge möglich gewesen. Allerdings: So einfach ginge das auch nicht, da Hugh Beringar insgesamt von drei Darstellern verkörpert wurde.
 
Meine Lösung wäre gewesen die Reihenfolge der DVD-Box mit "Im Namen der Heiligen" aus der dritten Staffel zu beginnen. Dies ist der erste Cadfael Roman - und Hugh Beringar taucht dort noch nicht auf.
Als nächstes wären die vier Verfilmungen der ersten Staffel mit Sean Pertwee als Hugh Beringar (in chronologisch richtiger Reihenfolge) gefolgt.
Die verbleibenden Filme der zweiten und dritten Staffel chronologisch richtig zu ordnen wäre einfach gewesen. Dass "Die Jungfrau im Eis" erst nach "Zuflucht im Kloster" kommt, spielt kaum eine Rolle für den zeitlichen Ablauf.
Die drei englischsprachigen Bonusfilme am Ende zu belassen halte ich für richtig; nur hätte die Reihenfolge (chronologisch richtig) genau anders herum sein müssen. Die, in meinen Augen, recht düsteren beiden letzten Romane der Cadfael Reihe von Ellis Peters ("Der fromme Dieb" und der nie verfilmte "Bruder Cadfaels Buße") sollten das Ende bilden.
 
Durch die Einhaltung der Staffel- und Erstausstrahlungsreihenfolge wirken die Filme für den Cadfael Fan etwas durcheinander gewürfelt. Auch der Neuling dürfte sich fragen was "Im Namen der Heiligen" auf der fünften DVD zu suchen hat. Hier hätte die deutsche Kollektion die "Fehler" der englischen Verfilmungen ausbügeln können.
 
Dass die drei Folgen der in Deutschland nie ausgestrahlten letzten Staffel nicht extra nachsynchronisiert wurden, ist verzeihlich. Sie sind ja auch lediglich als "Bonusmaterial" deklariert. Schade ist aber, dass man bei den ersten drei Staffeln nicht im Menü zwischen deutscher Synchronfassung und Original wählen kann. Wer auch das englische Original sein Eigen nennen will, muss sich also zusätzlich noch die ersten drei Staffeln in Englisch zulegen.
Dafür kann man bei der Collector's Box zwischen normaler Tonwiedergabe und Dolby Digital wählen.
 
Die Verfilmungen
Wie kaum anderes zu erwarten unterwirft sich die Verfilmungen der Bruder Cadfael Romane den Gesetzen moderner Filmproduktion; Handlungsstränge werden weggelassen, gekürzt oder vereinfacht, Personen werden ausgeklammert oder der Einfachheit halber durch andere / bereits eingeführte Personen ersetzt. Zudem unterwirft sich die Auswahl der Schauspieler mehr dem heutigen Massengeschmack als den Vorgaben der Autorin.
 
Das eröffnet jedoch neue "kriminalistische" Möglichkeiten. Während sich der Cadfael-Neuling auf die spannende Suche nach dem Mörder begibt, sucht der eingefleischte Cadfael Fan nach Abweichungen zwischen Romanvorlage und Verfilmung.
 
Ab der zweiten Staffel wird manchen Cadfael Fan das - wohl aus filmdramaturgischen Gründen - viel zu stark zugespitzte Verhältnis zwischen Cadfael und Hugh Beringar stören. Entschädigt wird der Zuschauer durch die wunderbare Darstellung Bruder Oswins, Bruder Jeromes, Prior Roberts und Abt Radulfus.
 
Die Verfilmungen sind eindeutig als kurzweilig unterhaltende Krimis mit mittelalterlichem Background angelegt. Man sollte besser nicht damit anfangen nach historischen Ungenauigkeiten zu suchen. Die dreizehn Staffeln erheben nicht den Anspruch etwas anderes als Zwanzigstes Jahrhundert in mittelalterlicher Kleidung und Umgebung zu sein. Der Fairness halber muss aber angeführt werden, dass das in gleichem Maße für Hollywood Verfilmungen wie "Robin Hood" gilt.
Alleine die Sprachen und Sprachbarrieren stimmig in die Filme einzuarbeiten wäre eine kaum meisterbare Aufgabe gewesen; immerhin sprach man im Shropshire des 12. Jahrhunderts drei Sprachen - Angelsächsisch, französisches Normannisch und Walisisch.
So hervorragend Sir Derek Jacobi die Rolle des Bruder Cadfael auch gespielt haben mag sei die Frage gestattet, ob man sich so einen in Wales geboren ehemaligen Kreuzritter vorstellen soll. Zu sehr scheint meiner Meinung nach in seiner Aussprache der exzellente Shakespearedarsteller durch.

Aber wie gesagt; die Verfilmungen wollen wie die Originalromane von Ellis Peters vor allem spannende und auch zu Herzen gehende Unterhaltung bieten - und das tun sie! Nicht umsonst hat Ellis Peters neben der Suche nach dem Mörder in fast jeden Cadfael Roman eine Liebesgeschichte mit eingewoben.
Das schöne an Vorlagen und Verfilmungen: Selbst wenn man den Täter ermittelt hat kann man sich des Endes nicht sicher sein. Ellis Peters kam es wohl - wie ihrem Romanhelden - im Leben mehr auf Gerechtigkeit als auf Recht an.

 
Resümee
Bei aller Kritik an der filmischen Umsetzung bleiben die TV-Staffeln ein MUSS für jeden Cadfael Fan. Dass die Collector's Box neben den zehn deutschen Folgen auch die restlichen drei Originalfolgen erhält macht sie zusätzlich wertvoll.
Die Verfilmungen haben durchaus das Zeug dazu dem Cadfael-Einsteiger Lust auf die literarischen Vorlagen zu machen. Durch die größere Tiefe der Romanvorlage wird das Lesen kein einfaches Repetieren des gesehenen sein.
 
Die unverbindliche Preisempfehlung der Box halte ich für äußerst angemessen. Immerhin erhält man ca. 15 Stunden gut gemachter TV-Unterhaltung für sein Geld.
 
Andreas Kühn
 
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